Blick hinter die Kulissen; die Wohnstätte Gedern
Hier ist immer was los
In der Wohnstätte Gedern werden erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung und einer zusätzlichen Sehbehinderung oder Blindheit betreut. Insgesamt stehen 17 Dauerplätze und 2 Kurzzeitplätze zur Verfügung.
Die Bewohner und Bewohnerinnen leben in zwei Gruppen, jeweils in einem Einzelzimmer. Dadurch hat jeder hier auch seine Privatsphäre. Richtet sein Zimmer ganz individuell so ein, wie er oder sie es mag. Auf den Fotos ist gut zu sehen, wie unterschiedlich die Zimmer dann auch sind. Mal versehen mit einem aufgesprayten Graffiti, mal ganz verspielt in rosa und mit vielen Lamas.
Einige der Bewohnerinnen und Bewohner sind tagsüber in einer Werkstatt tätig und werden dort entsprechend ihrer Möglichkeiten eingesetzt. Wenn eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht möglich ist, bleiben die Bewohnerinnen und Bewohner wie andere Arbeitnehmer, von Montag – Freitag zwischen 9.00-16.00 Uhr in der Tagesstruktur. Dort wird zusammen Kuchen gebacken, gekocht und gegessen. Es werden Ausflüge gemacht, gespielt und auch gearbeitet. Jetzt gerade wurden Johannisbeeren geerntet, die dann auch noch zu leckerem Gelee verarbeitet wurden.
Einige der Bewohnerinnen und Bewohner brauchen aber auch kleine Auszeiten. In denen Sie dann auch gerne mal alleine Musik hören, sich dazu im Takt wiegen und zur Ruhe kommen. Da kann die Musik leise sein aber auch ganz laut. Andere genießen den wunderschönen Snoozle-Raum, der mit ganz unterschiedliche Lichteffekten zur Entspannung beiträgt und mit den unterschiedlichen Farben gewisse Reize setzen kann. Den Raum lieben nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner, auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden hier gerne selbst mal länger Zeit verbringen und sich entspannen.
Doch es gibt immer viel zu tun und die Betreuerinnen und Betreuer sind sehr kreativ, lassen sich täglich neue Aktivitäten für drinnen und draußen einfallen. "Vor Corona sind wir zusammen in die Ferien gefahren, doch das geht momentan nicht. Dafür bleiben kleine Ausflüge in nähere Umgebung, Spaziergänge im Ort in kleinen Gruppen oder wir machen es uns auch in der Wohngruppe zuhause schön“ erzählt eine Mitarbeiterin.
Die Aufgaben der Betreuerinnen und Betreuer sind sehr vielfältig. Offizielle Berufsbezeichnung ist
"pädagogische und pflegerische Fachkraft“. Neben den alltäglichen Aufgaben der Fachkräfte in der Pflege und Betreuung, benötigen Menschen mit einer Behinderung auch aber auch ganz viel Einfühlungsvermögen, Geduld, Freude und Motivation jeden Tag aufs Neue.
Doch was reizt die Betreuer und Betreuerinnen an ihrem Job, was macht ihnen besonders viel Spaß? „Die Veränderungen und Entwicklungen zu erleben, bei dem Bewohner oder der Bewohnerin die ich betreue. Jeder Tag kann ganz anders sein, wie der davor. Wir stellen Unterschiede fest, wenn wir draußen und wenn wir nur drinnen sind. Herauszufinden was wer wann möchte. Was ihm gut tut, was er gerade braucht oder warum er jetzt so reagiert, das ist enorm wichtig“ erzählt eine Mitarbeiterin. Die anderen Kolleginnen und Kollegen ergänzen, dass der Alltag nicht immer leicht ist, gerade mit einem Menschen mit Behinderung z.B. im Rollstuhl unterwegs zu sein. Selbst in einem kleinen Ort wie Gedern ist es nicht immer einfach. „Ganz oft sind die Gehwege durch Autos zugeparkt, so dass man ganz knapp oder gar nicht durchkommt mit den Rollis. Viele Autofahrer denken mehr daran, dass der Verkehr fließen kann und nicht das die Menschen sicher unterwegs sind. Wenn wir Autofahrer darauf ansprechen, dann zeigt sich oft, dass viele ganz unbewußt den Gehweg zuparken, anderen es aber auch ganz egal ist.“ Das macht viele Betreuer und Betreuerinnen traurig.
Doch eine Mitarbeiterin erinnert sich an ein ganz besonders schönes Erlebnis, das sie in ihrer beruflichen Karriere bisher nur einmal erlebt hat, „wir hatten einen Ausflug in ein Café gemacht, mit einem Teil der Wohngruppe und einigen Betreuerinnen und Betreuern. Bis alle ihren Platz gefunden haben und wir alle Bestellungen aufgegeben haben, dauert es eine Weile. Als die Bestellungen verteilt waren und wir alle munter den Kuchen futterten, kam ein Mann an unseren Tisch und sprach uns Betreuerinnen und Betreuern erst mal seine Anerkennung für unsere Arbeit aus. Das allein passiert schon sehr selten und hat uns vollkommen überrascht, aber auch total gefreut, diese Anerkennung von einem Fremden zu erfahren. Doch als wir dann gehen und bezahlen wollten, kam die nächste Überraschung. Der wildfremde Mann, der das Café schon verlassen hatte, hatte zuvor die komplette Rechnung für die ganze Gruppe als kleines Dankeschön übernommen. Da staunten wir nicht schlecht und fühlt uns sehr wertgeschätzt für unsere Arbeit“.
Es ist total schade, dass es in der Gesellschaft zu wenig Anerkennung und Akzeptanz gibt. Denn es werden dringend mehr Fachkräfte gebraucht. Auch der Bedarf an weiteren Zimmern ist riesig. „Die Warteliste ist sehr lang,“ sagt Katrin Rotzsche Leiterin der Wohnstätte Gedern, „wir könnten glatt ein weiteres Haus füllen.
Doch wenn mal ein Zimmer frei wird ist nicht immer leicht den oder die Richtige zu finden. „Es ist sehr wichtig, dass das Zusammenleben in einer Wohngruppe harmonisch abläuft und ein neuer Mitbewohner oder eine neue Mitbewohnerin in die Gruppe passt. Deshalb ist auch ganz normal, dass vorab ein Probewohnen von 1-4 Wochen vereinbart wird. Erst danach wird gemeinsam entschieden, ob der oder die Neue bleiben kann.
Zum Schluss gab es die Frage, was würden sich die Betreuerinnen und Betreuern denn wünschen, wenn die gute Fee vorbeikommen würde. Natürlich waren wichtige Punkte dabei, nach mehr Rücksichtnahme und mehr Teilhabe für Menschen mit einer Behinderung in der Gesellschaft, Barrierefreiheit, sowie der Wunsch nach mehr Anerkennung und Offenheit. Aber es gab auch eine ganz besonders tolle Antwort: „Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich einen ganz großen Traktor mieten oder bauen, der eine kleine Auffahrt oder Rampe für einen leichten Zugang der Rollstühle hat. Dann würde ich alle einpacken und wir würden auf dem Anhänger des Traktors alle gemeinsam durch den schönen Vogelsberg fahren. Wir hätten viel Spaß, es wird gelacht, gefuttert und die schöne Landschaft genossen- das wäre toll.“
Wer weiß, manchmal gehen ja Träume in Erfüllung.
Das Team in Gedern leistet tolle Arbeit – herzlichen Dank dafür. Ihr verdient, wie alle anderen Teams der Lebenshilfe Wetterau den vollsten Respekt für Eure Arbeit.