NEUES aus der LEBENSHILFE. Gemeinsam was besonderes - Geschwisterkind mit Behinderung
In unserem nächsten Bericht geht es um Geschwister
Wie ist es wenn dein Bruder oder deine Schwester behindert ist.
Was habt ihr zusammen erlebt.
Was ist anders bei Euch .
Larissa 21 Jahre erzählt vom Leben mit ihrer Schwester Janina 28 Jahre.
carmen.bleck@lebenshilfe-wetterau.de
Dieser Bericht wird unterstützt durch die Anzeige der Firma RÜCKENWIND.
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In unserem nächsten Artikel lernen wir 2 Schwestern besser kennen.
Larissa über das Leben mit "ihrer Prinzessin" Janina
Mein Name ist Larissa, ich bin 21 Jahre alt und studiere in Frankfurt am Main. Meine Schwester Janina, oder auch unsere Prinzessin, wie meine Eltern und ich sie gerne liebevoll nennen, ist mittlerweile 28 Jahre alt. Seit ihrer Geburt ist sie schwerst mehrfach behindert und kann weder laufen noch sprechen. Zusätzlich hat sie starke epileptische Anfälle und mehrere schwere Lebensmittelunverträglichkeiten, die sich in schweren Durchfällen äußern.
Trotz des Altersunterschiedes habe ich schon früh gelernt, mit dieser Situation umzugehen. Schon als kleines Kind habe ich zwangsläufig viele Schwierigkeiten rund um ihre „Behinderung“ kennen gelernt. Vor allem konnte ich Unterschiede zu meinen Freunden und deren Familienleben feststellen. So waren und sind einfache Freizeitaktivitäten wie gemeinsam mit der Familie Fahrradfahren, Urlaube oder sogar Essengehen im Restaurant in unserer Familie kaum möglich. Stattdessen drehte und dreht sich fast alles um Janinas Gesundheit, Krankenhausaufenthalte, Arzt- und Therapietermine etc. Und leider gab und gibt es auch immer wieder neue Rückschläge!
Auch stellte die Suche nach einem adäquaten Wohnplatz ein großes Problem dar. Trotzdem wir Janina alle sehr gerne haben, war klar, dass eine dauerhafte Pflege bei unseren Eltern nicht möglich ist. Zum Glück haben wir nach langer Suche einen Platz im Wohnheim der Lebenshilfe Wetterau e.V. in Friedberg-Fauerbach gefunden. Daraufhin haben meine Eltern und ich dort ein sehr schönes und gemütliches Zimmer für unsere Prinzessin eingerichtet. Natürlich hängen dort auch einige Fotos von uns und sogar zwei Leinwand-Bilder, die ich für sie gemalt habe. Einerseits hätte ich mir damals gewünscht, dass sie immer bei uns zu Hause wohnt, aber natürlich wusste ich, dass dies aufgrund der aufwändigen Pflege nicht möglich ist. Andererseits dachte ich mir, dass sie unter anderen Umständen in dem Alter auch ausziehen würde. Heute sind meine Eltern und ich sehr glücklich darüber, dass Janina sich in der Wohnstätte sehr wohl fühlt und dort ein so schönes zweites zu Hause gefunden hat
Trotzdem sind Janina und ich auch heute noch in sehr engem Kontakt und ich besuche sie so oft wie möglich bei uns zu Hause oder in der Wohnstätte. Dann unternehmen wir vieles zusammen.
Ein Beispiel ist unsere gemeinsame Leidenschaft für das Inliner-Fahren; Zu meinem 4. Geburtstag bekam ich von meiner Familie Inliner geschenkt und bin direkt losgedüst. Daraufhin hat sich unsere Mutter auch welche gekauft. Wenn es Janina gut geht, fahren wir drei seit nunmehr 17 Jahren gemeinsam Inliner; das bedeutet, Mama und ich fahren Inliner und einer von uns schiebt Janina in ihrem Rollstuhl, der andere nimmt ihre Hand. Denn nur spazieren gehen, das ist sowohl uns als auch unserer Prinzessin einfach zu langweilig! Mit Fahrtwind haben wir gemeinsam viel mehr Spaß und können unsere Sorgen für einen Moment vergessen!
Natürlich besuchen wir auch hin und wieder gerne gemeinsam Veranstaltungen. Zum Beispiel die Behinderten-Disco oder das Handicap Festival. Dort können wir zusammen tanzen und viel Spaß haben. Ebenso kommt Janina auch zu fast allen Familienfeiern unserer großen Familie mit. Auch nehmen wir an regelmäßigen Veranstaltungen der Familiengruppe Regenbogen und den jährlichen Familienfreizeiten gemeinsam teil. Seit vier Jahren übernehme ich dabei die Betreuung und Pflege von Janina während den Betreuungszeiten.
Wegen Janinas schweren Lebensmittelunverträglichkeiten, benötigt sie immer ein speziell zubereitetes Essen. Auch deshalb ist selbst ein Restaurant-Besuch kaum möglich. Um sie dennoch etwas kulinarisch zu verwöhnen, backe ich so oft wie möglich genau auf ihre Verträglichkeit abgestimmtes, spezielles Brot bzw. Kuchen für meine Prinzessin.
Leider kann Janina nicht sprechen und nur wenig kommunizieren. Trotzdem haben wir eine besondere Bindung und Kommunikation miteinander. Obwohl sie mir nicht direkt antworten kann, spüre ich, dass sie mich erkennt und sich freut, wenn ich mich mit ihr beschäftige. Sobald sie meine Stimme hört, lacht sie herzlich; das macht mich sehr glücklich!
Wenn wir uns länger nicht sehen können, z. B. als ich im Rahmen meines Studiums im Ausland war, telefonieren oder skypen wir häufig miteinander. Nach einiger Zeit erkennt sie dann meine Stimme und sie freut sich sehr. Wenn Janina glücklich und gesund ist, macht mich das auch sehr glücklich!
Obwohl es für mich normal war, dass Janina behindert ist, und ich sie auch so wie sie ist, sehr liebe, habe ich mir gewünscht, dass sie gesund ist. Normale Freizeitaktivitäten und Urlaube mit ihr und unserer Familie, wie meine Freunde sie erlebt haben, fehlten mir. Trotzdem habe ich immer versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Meine Eltern freuen sich sehr, dass ich auch heute noch so viel Zeit mit Janina verbringe. Vor allem ist es für meine Eltern eine große Unterstützung, wenn ich Janina ab und zu an den Wochenenden betreue, damit sie an Veranstaltungen teilnehmen können.
Ich denke sehr oft an meine Schwester Janina und hoffe, dass es ihr gut geht! Und in gewisser Weise beeinflusst sie sogar meine Zukunfts-Entscheidungen. Ein aktuelles Beispiel ist die Wahl meines Masters. Auch hierbei denke ich an Janina. Zwar würde ich diesen grundsätzlich gerne in einem anderen Teil Deutschlands oder im Ausland absolvieren, doch ist es für mich schwierig, nochmals eine lange Zeit weit entfernt von Janina zu sein. Schon während meines Ausland-Aufenthaltes im Bachelor-Studium war es für mich schwer, sie so lange nicht sehen zu können. Anders als normal entwickelte Geschwister kann sie nicht verstehen, warum sie mich so lange nicht sieht. Umgekehrt kann auch ich ihr nicht einfach mal eine WhatsApp schreiben, wie meine Freunde das mit ihren Geschwistern machen.
Gerne würde ich noch mehr mit Janina unternehmen, aber leider ist dies aufgrund der vielen Schwierigkeiten oft nur schwer möglich.
Heutzutage ist oft von Inklusion die Rede, das ist natürlich schön. Jedoch habe ich oft das Gefühl, dass schwerst-mehrfach behinderte Menschen mit hohem Unterstützungs- und Pflegebedarf, wie z-B die schwierige Ernährungs-, Pflege- und Betreuungs-Situation von Janina, dabei häufig nicht bedacht werden. Deshalb wünsche ich mir für die Zukunft, dass besonders für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtert wird!